16.08.1952 - Ich (links) erblickte in Kaiseringen (heute: Ortsteil von Straßberg, Sigmaringen) das Licht der Welt. Ein herzlicher Dank gilt meinen Eltern - das habe sie prima hinbekommen. Ich kann mich noch heute an den einzigen Kaufladen im Dorf erinnern... auf dem Ladentisch stand eine - für heutige Verhältnisse - riesige mechanische Kasse mit genau so riesigen Tasten drauf... aber noch besser waren die 3 großen Glasbehälter mit Bonbons drin. Wenn mein 2 Jahre älterer Bruder mit mir zum Einkaufen geschickt wurde, griff der Ladenbesitzer immer in eines der Gläser und drückte uns ein Leckerli in die Hand. Das sind so meine frühesten Kindheitserinnerungen.
Im zarten Alter von 4 Jahren sind meine Eltern - mit meinem Bruder und mir im Schlepptau - nach Reutte / Tirol gezogen. Hier erblickten meine beiden Schwesterchen Carola und Brigitte das Licht der Welt. In Reutte besuchte ich auch die Volksschule. Damals wurden die Schüler noch nicht von Bussen zur Schule gebracht. Für meine kurzen Beinchen war das immer ein Fußmarsch von ca. 2 km morgens zur Schule, mittags nach Hause - Mittagessen - dann wieder zur Schule und gegen 16 Uhr wieder nach Hause. Und dann konnte es noch sein, dass ich für Mama noch was einkaufen musste... und so kamen am Tag so zwischen 8 und 12 km zusammen, wobei samstags natürlich auch Schule angesagt war - allerdings nur vormittags.
Nach 4 Jahren Volksschule in Reutte bestand ich die Aufnahmeprüfung in das Salvatorkolleg in Bad Wurzach. Mein Vater hatte da mal in jungen Jahren als Bäcker gejobbt und meine Eltern wollten mir immer schon eine bessere Ausbildung zukommen lassen, als sie geboten bekommen haben. Das Salvatorkolleg war ein Internat, in dem ca. 300 Schüler schlafen und studieren konnten. Zu den Hauptfächern zählten hier auch Latein und Altgriechisch - nicht gerade meine Lieblingsfächer. Unsere Freizeit verbrachten wir meist in einem großen Park mit angrenzender Ried- und Moorlandschaft bei Spiel und Sport - und Sport wurde im Internat groß geschrieben. Wir Kinder waren im "Wurzacher Schloss" untergebracht, dessen Barocktreppenhaus aus dem Jahre 1728 weithin bekannt ist. Hier gab es viele Räume zu entdecken - auch im Keller - denn hier lagerten Lebensmittel, Brot, Wurst und Most - und das war sehr wichtig für uns, denn das Essen war zu dieser Zeit - im Vergleich zu heute - nicht gerade üppig. Kartoffeln gab es täglich, Nudeln nur sonntags.
In der Zwischenzeit sind meine Eltern von Reutte nach Vogt gezogen - das liegt bei Ravensburg (wer kennt die Ravensburger Spiele nicht). Nach der "Mittleren Reife" hieß es dann erst mal "Ausbildung machen" - "Eigenes Geld verdienen". Und so bewarb ich mich damals bei der Firma Uhl in Vogt - eine schnell wachsende Firma, die hauptsächlich Fensterbänke aus Aluminium herstellte, Profile für Fensterrahmen und -flügel, sowie Ortgangverkleidungen - alle Profile im eigenen Alu-Presswerk gezogen. In meiner Ausbildung zum Industriekaufmann war damals noch "Briefmarken ausschneiden" (für den Chef - ein Sammler), Papierkörbe leeren und sonstige geistlose Tätigkeiten angesagt. Natürlich gab es auch einige Abteilungsleiter, die uns junge Auszubildende auch förderten und sich für uns (ich denke, wir waren insgesamt 3 Jungs und 2 Mädels) einsetzten. Irgendwann landete ich dann in der Abteilung EDV (heute IT) und durfte mich mit Lochkarten beschäftigen.
Die Lochkartenmaschienen (heute würde man "Hardware" sagen) faszinierten mich so sehr, dass ich in dieser Abteilung - nach erfolgreich absolvierter Ausbildungszeit - bleiben wollte. In diese Zeit machte ich auch meinen Führerschein - ein einschneidendes Ereignis für jeden Jungendlichen - ich bezahlte dafür 405 DM (ca. 200 Euro) - eine stattliche Summe, wenn man bedenkt, dass es zu dieser Zeit 150 DM im 1. Lehrjahr (Ausbildungsjahr), 200 DM im 2. und 300 DM im 3. Lehrjahr gab. Die Firma Uhl war mit meinem Vorschlag (nach bestandener Prüfung - Ausbildung zum Operator, dann Programmierer) einverstanden und so wurde ich erst Operator in einem Maschienensaal, den man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Das "Gehirn" des Zentralechners (IBM 360/20) hatte gerade mal 4 KB - das Wort "Chip" gab es noch nicht. 4 KB hatten die Größe eines Koffers und das Gewicht, das gerade noch so von einem Mann getragen werden konnte. Festplatten gab es noch nicht. Der Zentralrechner wurde gefüttert mit Lochkarten, auf einer solchen konnten maximal 80-stellige Informationen gespeichert werden. Um Rechnungen an unsere Kunden zu schreiben, waren da schon mal ca. 5000 Lochkarten erforderlich. Die Informationen in den Lochkarten wurden von sogenannten "Locherinnen" (weibliche Mitarbeiterinnen mit guten Schreibmaschienenkenntnissen), die an Lochern (grosse, schwere Maschienen in Schreibtischgrösse mit Tastatur) saßen, gestanzt. Diese "Lochabteilung" war bei uns jungen Programmierern eine beliebte Verweilstation, da allein der Anblick von über 10 Frauen (mehr oder weniger jung) dafür sorgte, dass unsere Gedanken wieder über ganz andere Synapsen flossen...
Da habe ich doch noch einen ehrwürdigen Kernspeicher gefunden, der in der damaligen Computergeneration verbaut wurde. In einer waagrechten Zeile konnten 16 Bits - also 2 Bytes dargestellt werden. Insgesamt sind es 16 Zeilen untereinander. Deutlich zu sehen sind die Ferritkerne, die durch Strom magnetisiert wurden, der durch die waagrechten und senkrechten Drähte geschickt wurde. Nur am Kreuzungspunkt des waagrechten und senkrechten Drahtes war die Stromstärke stark genug, um den Ferritkern zu magnetisieren, alle anderen Kerne, die auf gleicher Linie lagen, wurden nicht magnetisiert. So konnten 2 Ziffern dargestellt werden - Ferritkern stromlos = 0, Ferritkern unter Strom = 1. Unser Quadrat reichte also aus, um 32 Bytes darzustellen, also um 32 Zeichen (Buchstaben oder Ziffern) durch die Kombination von 0-en und 1-en darzustellen. Wenn man bedenkt, dass auf dieser Fläche heute weit über 2.500.000.000.000 Zeichen dargestellt werden können, dann erkennt man die rasante Entwicklung der Datenspeichertechnologie.
Gegen Ende der 2. Lebensdekade gab es neben dem Führerschein noch ein weiteres Großereignis: Ich wurde zur Bundeswehr eingezogen. Immerhin konnte ich es so regeln, dass ich nach Weingarten kam - nur ca. 15 km entfernt von Vogt - meinem damaligen Wohnort und natürlich der meiner Eltern. Der monatliche Sold, den die Bundeswehr damals in einen billigen Soldaten wie mich investierte, betrug ca. 100 DM (also ca. 50 Euro). Ich hatte das Glück, abends und samstags ein paar zusätzliche Mark "beim Uhl" zu verdienen - so dass ich mir nebenher noch einen Fiat 600 leisten konnte... Und wenn ich mich so zurück erinnere, dann fällt mir ein, dass ich nicht nur einmal an der "Tanke" für 2 DM Benzin tankte - das waren damals knapp 4 Liter.
In der Freizeit war natürlich in diesen Jahren die "Landjugend" angesagt. Die heutige Jugend ist mit "abhängen" und "chillen" beschäftigt. Für Tätigkeiten dieser Kategorie hatten wir früher keine Zeit. Bei uns war "Action" angesagt. Wöchentliche Gruppenabende und dorfübergreifende Landjugendfeten wollten geplant, aktiv mitgestaltet und im Anschluss auch wieder verdaut werden. Darüber hinaus traf man sich fast alltäglich abends um 19 Uhr auf dem "Gammlerbänkle". Hier wartete man so ca. 10 Minuten und wer dann immer noch durch Abwesenheit glänzte, der versäumte meist einen lustigen Abend.
Von meinem gewählten Beruf war ich begeistert - mich musste niemand motivieren. Meine Kollegen Ludwig, Candy, Adi und Weidi waren super und wir hatten jede Menge Spaß - sowohl in der Firma als auch ausserhalb. Adi's Kellerbar war immer geöffnet - zudem hatte er 3 hübsche blonde Schwestern - die ebenfalls gerne die Kellerbar aufsuchten. Es war auch die Zeit der "Landjugend" - und mir stach immer wieder eine dunkle Schnecke in die Augen... die kam von einem Bauernhof, hatte noch 3 Schwestern und einen Bruder. Nachdem ich über Wochen täglich mindestens 2 Augen nach meiner heimlichen Liebe geworfen hatte, wurde ich auch irgendwann von ihr entdeckt... Mein lieber Schwan - aber dann - das hat vielleicht gefunkt - naja ich hatte ja auch schon lange genug gezündelt...
Im September 1976 marschierte ich mit meiner damaligen Freundin aufs Standesamt und zwei Tage später vor den Traualtar. Es war eine sehr schöne Trauung in der kleinen aber feinen Kirche in Karsee. Abends feierten wir dann in Leupolz im Kreise unserer Familien - natürlich durften FreundeInnen und die Landjugend nicht fehlen.
Leider sah ich irgendwann, dass es für mich bei der Firma Uhl kein berufliches Weiterkommen gab. Also beschloss ich, mich bei einem grossen Computerhersteller zu bewerben. Ich bewarb mich bei einigen Firmen, um den Umgang mit Personal- und EDV-Leitern zu üben. Als ich einige Gespräche hinter mir hatte und das große Zittern vor den "mächtigen" Herren ausblieb, schickte ich meine Bewerbung an IBM - denn da wollte ich hin. Prompt wurde ich eingeladen, mich persönlich in Stuttgart bei IBM vorzustellen.
Zu dieser Zeit bin ich noch viel gelaufen - das Wort joggen war noch gar nicht geboren. Das linke Bild zeigt meinen Freund Willi (rs.) und mich bei einem Marathon in Leinfelden (Stuttgart). Und wenn ich mich so richtig ierinnere, dann hatte er eine Endzeit von ca. 2:36 und "versägte" mich gnadenlos. Wobei ich auch unter 2:40 blieb... und das ist ja gar nicht so schlecht.
Zurück zur Vorstellung bei IBM...
Und so fuhren wir (meine Frau Anne und ich) mit unserem kleinen Auto zur (damals noch) großen IBM nach Stuttgart. Am Autobahnkreuz Vaihingen fuhren wir raus - das riesige Verwaltungsgebäude sahen wir ja schon von der Autobahn aus. Ich trabte zum Empfang - Anne fuhr mit dem Auto Richtung Innenstadt - shoppen. Artig meldete ich mich bei dem netten Herrn und vermeldete ihm, dass ich heute meinen Vorstellungstermin hätte, denn ich wollte mit meiner Arbeitskraft IBM unter die Arme greifen. Leider schüttelte der Empfangsmann seinen Kopf - für heute wurden ihm keine Bewerber gemeldet, aber er wolle sich noch einmal erkundigen. Also wartete ich geduldig. In der Zwischenzeit fuhr Anne durch Vaihingen und sah die Strasse "Am Wallgraben" - sie erschrak - denn sie erinnerte sie sich an die Adresse, wo ich mich eigentlich melden und vorstellen sollte: "Am Wallgraben".
Also drehte sie und fuhr schnurstracks wieder dahin, wo ich immer noch auf meinen Auftritt wartete. Sie zog mich aus dem Gebäude - und ab gings in zum Wallgraben - ebenfalls ein großes IBM Gebäude. In der Zwischenzeit war ich natürlich eine Stunde zu spät... Eine freundliche Dame geleitete mich vor eine mächtige Türe und verschwand wieder. Also klopfte ich - die Türe öffnete sich und es erschien ein Hüne von einem Mann (der Personalleiter, wie ich später erfuhr), der die Öffnung auch fast schon wieder ausfüllte: "Ah, sie sind sicher der Herr Enderle - kommen Sie eigentlich immer zu spät?" Ich schrumpfte erst mal auf Zwergenniveau, denn im Raum saßen über 100 Mitbewerber, die sich bereits seit einer Stunde mit einem schriftlichen Test beschäftigten.
Der Hüne übergab auch mir ein Heft mit den - für IBM wohl wichtigen Aufgaben. Für mich hingegen waren sie nicht mehr so wichtig denn die Blamage des Zuspätkommens saß mir noch in den Knochen und die Bewerbung hatte ich innerlich bereits abgehakt. Also versuchte ich im Schnellverfahren die fehlenden Symbole in das Heft zu kritzeln, Zahlenreihen zu vervollständigen usw. Irgendwann war ich fertig - während die Köpfe der anderen noch rauchten - wollte meine Spesen noch abholen und dann nix wie weg. Aber der Personalhüne hielt mich zurück, blätterte meine Lösungen durch und meinte: "Bleiben Sie doch noch etwas hier - wir werden Ihnen ein Angebot machen". Mit Allem habe ich ja gerechnet - mit einem Angebot allerdings nicht. Es folgte noch ein lockeres Interview - IBM machte mir tatsächlich ein Angebot, das auch noch ganz gut ausfiel...
Dem Laufsport war ich (stehend Mitte) zu dieser Zeit sehr verbunden. Mit meinen Sportfreunden aus Vogt waren wir fast an jedem Wochenende bei irgendeiner Laufveranstaltung. Meist waren es 10 km Läufe, oft auch Halbmarathons oder Marathons.
Häufig nahmen wir auch unsere Nachwuchsläuferinnen und -Läufer mit. Dann bauten wir entweder unsere Zelte auf oder übernachteten in Turnhallen - oder auch im Freien - je nach Wetterlage. Eine herrliche Zeit.
In den starken Jahren trainierte ich pro Woche bis zu 180 km - im Sommer. In der kalten Jahreszeit gönnte ich mir immer 4-5 Monate Winterschlaf, zumindest was das Laufen anbelangte. Und da ich ja in den Bergen aufgewachsen bin, verbrachte ich viel Zeit auf den Skiern. Im Frühjahr war es dann immer wieder eine Qual, mit dem Lauftraining zu beginnen. Die untrainierten Muskeln reagierten mit Übersäuerung - Muskelkater ohne Ende war die Folge - und natürlich Blasen an den Zehen, am Fußballen und an der Ferse. Aber schlussendlich standen ja schon wieder die Marathontermine fest, und bei einigen wollte ich natürlich schon dabei sein.
Einer der ältesten Marathonläufe in Deutschland ist der Schwarzwaldmarathon, den ich auch einige Male erfolgreich absolviert habe. Die größten Erfolge waren wohl die Marathon Mannschaftsmeisterschaften, bei denen wir (Thurner, Kehle, ich) in den Jahren 1980 und 1981 unter die Top 10 kamen.
Also fing ich im September 1976 bei IBM in Friedrichshafen am schönen Bodensee an. An den ersten Tag kann ich mich noch sehr gut erinnern. Kurz vor 7 Uhr stand ich vor dem großen IBM Gebäude - doch es war noch verschlossen. Nach ein paar Minuten kam der Hausmeister (wie ich später erfuhr) und fragte mich, was ich hier schon so früh wolle. "Ich bin neu hier und das ist mein erster Arbeitstag bei IBM". Ohje, sagte der Meister des Hauses, schloss mir auf, zeigte mir die IBM Büros: Die werden aber vor halb 9 nicht einlaufen... Egal, so schaute ich mir die Büros an, las in Broschüren und wartete auf den Auftritt meiner zukünftigen Kollegen. Die dann auch tatsächlich kamen - mich in die Cafeteria mitnahmen, um erst mal eine Tasse Kaffee zu genießen. Wo war ich da nur hingeraten, dachte ich - aber es wurde dann auch hart gearbeitet...
Die ersten 6 Monate verbrachte ich fast ausschließlich auf der Schulbank. Erst sollte ich so alles, was es damals an Programmiersprachen gab, in meinem Kopf ablegen. Assembler (das ist in etwa so wie Latein - kann man nie wirklich benutzen, aber es ist eine gute Basis für andere Sprachen), Fortran, PLI, COBOL und RPG. Und dann wurde ich als sogenannter 'System Engineer' auf die Kunden losgelassen. Erst zu einer Firma in Langenargen, Bettfedernfabrik... und so erfuhr ich ganz nebenbei den Unterschied von Gänsefedern zu Entendaunen.
Dann zu einer Firma unweit von Friedrichshafen (stellen Sprühgeräte zum Aufträgen von Packen her), die Ausschau nach einer neuen "FIBU" (Finanzbuchhaltung) hielt. Da jedoch keine Standardsoftware so richtig passte, sollte es eine Eigenentwicklung werden. Ich verbrachte viel Zeit mit dem damaligen EDV-Leiter und einem seiner Programmierer, um die ganzen Anforderungen zu beschreiben und zu strukturieren. Auch eine hübsche Dame der aus Buchhaltung wurde uns zur Seite gestellt, die intensiv mit dem Programmierer die Entwicklung der Software vorantrieb... Nach erfolgreicher Installation haben die beiden dann geheiratet...
Ich war gerade 27 Jahre alt geworden, da kam eines Tages mein Manager zu mir und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, für 2-3 Jahre nach Mainz in das Ausbildungszentrum der IBM zu gehen, um dort als Dozent für ein neues System, das in einem Jahr auf den Markt kommen würde, zu arbeiten. Ich bespricht den Sachverhalt abends mit meiner Frau und schon am nächsten Tag war ich bei meinem neuen Manager in Mainz - besprach die Randbedingungen - und gab meine Zusage. Also suchten wir uns eine kleine Wohnung - Mainz-Bretzenheim hatte schlussendlich die ideale Lage... Der Umzug nach Mainz war noch nicht dramatisch - wir besaßen ja außer unseren Schlaf- und Wohnzimmermöbeln nicht viel. Und so begann ich am 01.01.1980 meinen neuen Job in Mainz. Wiederum - wir waren ein zusammengewürfelter Haufen von 6 Hanseln - wurden wir auf dem neuen System (IBM System /38) von IBMern aus dem Labor in Rochester geschult - die sich auch sehr bemühten...
Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich die ganzen Betriebssystemfunktionen und deren parametrisierbaren Möglichkeiten so locker begriffen hätte. Abends saßen wir oft noch zusammen und versuchten, in kleinen Tests uns Klarheit über zumindest einen kleinen Teil der Funktionen zu verschaffen - was uns auch nach und nach recht erfolgreich gelang.
Nach etwa einem halben Jahr begannen wir Lehrgangsunterlagen zu entwickeln. Ziel war es ja, für das IBM Ausbildungszentrum diverse Lehrgänge zu entwickeln, die dann alle Firmenkunden, die sich für die neue IBM Hardware entschieden hatten, besuchen konnten. Natürlich gegen entsprechendes Honorar. Und zu dieser Zeit boomte das Geschäft mit der Ausbildung. Die einzelnen Lehrgänge gingen meist über eine Woche und damals musste ein Programmierer ca. 6 verschiedene Lehrgänge besuchen, um den IBM Computer der "neuen Generation" programmieren zu können. Wir entwickelten Kurse zu den Themen: Datenbankdesign und Definition, Programmiersprachen, SQL, Operating, Message-Handling, Betriebssystemfunktionen, Command Language, Datenfernverarbeitung (es gab ja noch kein Internet), Journaling und Commitment Control, Workmanagement, Tuning...
Der neue Job machte mir jede Menge Spaß und es kam die Zeit, in der die Lehrgänge entwickelt waren und wir gespannt auf die ersten Kunden warteten, die ihre Gehirnkapazität mit neuem Wissen füllen wollten. Eine Lehrgangsklasse hatte damals so ca. 30 Teilnehmer und mehr und man musste als Teacher aufpassen wie ein Luchs, um auch immer auf die vielen Fragen der Teilnehmer eine einigermaßen einleuchtende Antwort zu geben. Aber gerade dieser Umstand machte auch jede Menge Spaß. Mir wurde nie langweilig und es war auch sehr interessant zu erkennen, dass die Jungs (ja, meist waren es ja nur Männer in einer Klasse - bis auf einen Kurs, an den ich mich noch gerne erinnere, da hatte ich 11 Frauen... im Kurs) das alles auch begriffen, was ich so in den manchmal doch recht trockenen Theorie-Einheiten versuchte, an den Mann bzw. Frau zu bringen.
...Und die Ausbildung boomte weiter... Aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten schwappte das Novum "Fernsehkurse" nach Deutschland. Was war damit gemeint: Da in einem Klassenkurs maximal etwas mehr als 30 Kursteilnehmer durch einen Dozenten bedient werden konnten - der Andrang der Kunden an das Ausbildungszentrum jedoch ungebrochen war - und durch einen Fernsehkurs weit mehr Teilnehmer geschult werden konnten, richteten auch wir entsprechende Räume ein: Ein Fernsehstudio (da saß dann der Dozent), eine Kamera von vorne auf Scheitel, Nase und Mund des Teachers gerichtet - eine Kamera auf die linke Hand und eine Kamera auf díe rechte Hand (die ein Blatt Papier mit Informationen versorgte) gerichtet. Die Bilder der einzelnen Kameras konnten über ein Schaltpult in die Gruppenräume übertragen werden (Ein Gruppenräume = 6 Teilnehmer). Über Mikrofone konnten die Teilnehmer natürlich auch ihre Fragen stellen. An einen Kurs erinnere ich mich noch heute... 12 volle Gruppenräume = 72 Teilnehmer, Gebühr pro Teilnehmer 1.500 (DM zu dieser Zeit, was heute durchaus EURos entspricht). Umsatz pro Woche = 109.000,-- DM - das ist ja mal schon gar nicht so schlecht...
Die Zeit in Mainz war - zurückblickend gesehen - wirklich bärenstark. Ich hatte einen rundum super Job, der zwar ganz schön stressig war, aber die Tatsache, dass meine Kollegen und ich fast täglich mit Neuerungen in Betriebssystemfunktionen konfrontiert wurden und so in einem permanenten Lernprozess standen - schlussendlich mussten wir dieses Wissen ja in Lehrgangsunterlagen aufbereiten - war die Arbeit jederzeit interessant und abwechslungsreich. Und wenn die Lehrgangsteilnehmer dann bei Lehrgangsende noch positive Worte in ihrer Beurteilung fanden, dann war das immer eine Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind...
Gerne erinnere ich an meinen Freund Gerd, der im Elsaß ein riesiges Grundstück erstand und das darauf stehende Bauernhaus ausbaute. Auf dem Grundstück gab es einen Bach, Bäume und natürlich einen Grillplatz. In einem einwöchigen Fest wurde die Fertigstellung desselben gefeiert. Von Mainz aus fuhr ich mit dem Fahrrad - vollkommen untrainiert - in die Nähe von Limbach/Elsaß. Als ich dort dann ankam, fiel ich fast vom Rad - so kaputt war ich. Aber ich erholte mich schnell... es gab genügend Rotwein und Wildschwein am Spieß. Tagsüber unternahmen wir Wanderungen auf die umliegenden Burgen und mit Einbruch der Dunkelheit gaben wir uns den schönen Dingen des Lebens hin - eine wirklich schöne Zeit in einer großen Familie. Gerd war 2 Jahre in Rochester bei IBM und hatte unter anderem auch die Aufgabe, sein im IBM Labor erworbenes Wissen an uns weiter zu geben. Was bei mir - unter anderem - noch hängen geblieben ist, ist dass es in Rochester die Mayo-Klinik gibt, die über 3.000 Schwesternschülerinnen beherbergt...
Damals wäre ich - wenn sich die Möglichkeit geboten hätte - auch gerne für 1-2 Jahre ins IBM Labor nach Rochester gegangen...
Aber auch die Mainzer Zeit ging mal zu Ende - das war dann Ende 1981. IBM bot mir einen Job in Stuttgart an, ich sollte Großkunden bei der Installation und Implementation von Hard- und Software unterstützen. Keine Frage, das reizte mich schon. Bislang hatte ich ja nur jede Menge theoretisches Wissen, jedoch dieses noch nie bei Firmen in deren Belange und Anforderungen umgesetzt. Ich freute mich und so suchten wir im Raum Stuttgart ein neues zuhause, das wir dann in Steinenbronn auch fanden. Eine schnuckelige Wohnung - die wir auch dann gleich kauften. In Steinenbronn hatte ich auch gleich das Siebenmühlental, eine ehemalige Bahntrasse, für meine Joggingaktivitäten in der Nähe. Nach Böblingen / Sindelfingen war es nur ein Katzensprung und nach Stuttgart City nur ne Kleinigkeit weiter. Meine Frau konnte sich wiederum von der Bayerischen Vereinsbank Mainz ebenfalls nach Stuttgart versetzen lassen, das war - Gott sei Dank - auch kein Problem.
Den Umzug im Dezember 1981 von Mainz nach Stuttgart musste ich weitgehend alleine bewältigen - meine Frau war zu dieser Zeit schwanger - mit Christoph, der im Juli 1982 dann ans Tageslicht kam. Ihre Stelle bei der Bayerischen Vereinsbank in Stuttgart konnte sie gerade mal noch für einige Wochen ausfüllen, dann war Mutterschutz angesagt. Unterdessen hatte ich schon wieder bei IBM in Stuttgart Fuß gefasst. Ich saß mit 3 weiteren Kollegen in einem Büro - jedoch sahen wir uns meist nur am Montag morgen beim "Montagsmeeting". Die restliche Zeit der Woche verbrachten wir bei unterschiedlichen Kunden, die wir bei ihren Projekten unterstützten... so gut es eben ging. Es gibt einige Kunden (Flughafen Stuttgart, Motometer [Automobilzulieferer], Agria [Bodenbearbeitungsgeräte], Pebra [Automobilzulieferer], Eirich [Mischtechnik], CONCAC [Geräte zur Halbleiter-Technologie], Wagner [Spritz-Technik], Intersport [kennt jeder] usw. - nicht zu vergessen: einige IT-Beratungsfirmen), denen ich sehr dankbar bin. Ich lernte jede Menge GeschäftsführerInnen, IT-LeiterInnen und ProgrammiererInnen kennen und von vielen konnte ich positive Eigenschaften erfahren - die Negativen habe ich wieder vergessen.
Nicht immer war der Job so ganz einfach: Einmal warf ein IT-Leiter ein Datenbandrolle (und damals hatten diese Datenbänder einen Durchmesser von ca. 35 cm, rund und in Hartplastik gehüllt) nach mir - und es verfehlte meinen Kopf nur ganz knapp - weil ich ihm innerhalb von einem Tag zum bestimmt zehnten Mal aufzeigen musste, dass seine Programmierer wieder einmal mehr falsche Daten geliefert hatten. Auf diesen Schreck habe ich erst mal diese Firma verlassen - nahm aber am nächsten Tag in gewohnter Weise meinen Dienst wieder auf. Der IT-Leiter entschuldigte sich und ein paar Flaschen Sekt trugen dazu bei, dass ich den Vorfall aus den Gehirnzellen streichen konnte...
Übrigens entwickelte sich daraus ein überaus freundschaftliches Verhältnis mit der ganzen IT-Mannschaft. Die Sekretärin brachte mir allmorgentlich, wenn ich in dieser Firma sein durfte, ein Schälchen mit Hanuta, Mars, Sniggers und Marzipankügelchen. Und wenn es mal erforderlich war, dass ich aufgrund der Arbeit übernachten mußte, wurde ich immer eingeladen. Eines Abends war dann mal "Saukopfessen" angesagt - ein unvergessliches Erlebnis, wenn 2 komplette Sauköpfe in einer großen Schüssel auf den Tisch kommen, Kartoffen und Salat...
...wird fortgesetzt...