Endlich Schnee - also raus...

Nun habe ich meinen Winterschlaf beendet – es ist ja auch Schnee gefallen und ich kann meinen Blog wieder pflegen.

Gleich morgens fahre ich – obwohl sich das Wetter von seiner düsteren Seite zeigt - ins Tannheimer Tal. Schon beim Verlassen der Autobahn A7 in Richtung Oy blicke ich nach oben und ahne, dass es heute einen Tag für Götter gibt. Das Blau am Himmel wird mehr und mehr. Auf dem Campingplatz angekommen, greife ich mir erst mal ne Schaufel - Schnee schippen ist angesagt – was weiter aber nicht dramatisch ist. Das Thermometer zeigte -9 Grad, aber dafür ist auch kein Wölkchen am Himmel auszumachen. Petrus ist wieder mein Freund...

Ich nehme meine Skating Ski – da fällt mir ein, dass Wachsen bestimmt nicht schaden würde. Also Wax gesucht – und auf den Belag damit – das bringt bestimmt ein halbes PS mehr, denke ich so bei mir. Nun aber auf die Loipe. Schon nach einigen hundert Metern kommt ein schattiges Teilstück – es wird noch spürbar kälter – die Schneekristalle sind einfach noch zu scharfkantig, so dass diese die Ski mein angestrebtes Tempo eher bremsen. Ich

hatte jedoch eigentlich mit geschmeidigem Vortrieb gerechnet – ohne viel Kraftaufwand.

Bereits nach einer halben Stunde machen sich die fehlenden Trainingsstunden bemerkbar. Ich stehe ja in dieser Saison zum ersten mal auf den Brettern. Der Stockeinsatz wird nun mangels Oberarmmuskulatur lasch und lascher und der Beinabstoss hat mit ″Abstoss″ – wen wunderts – nun gar nichts mehr gemein. In Grän stehe ich vor der Wahl eine weitere Schleife mit ca. 6 km dranzuhängen. Mein Kleinhirn entscheidet sich jedoch in Sekundenbruchteilen für die einzig richtige Variante – und dafür bin ich dankbar: Auf der Sonnenseite wieder zurück zum Campingplatz. Da die Sonne hier die scharfkantigen Schneekristalle bereits zum Schmelzen gebracht hatte und diese dann in runde Kristalle umgeformt hatte, läuft es hier wesentlich besser. Naja vielleicht liegt es auch daran, dass es nun meist geringfügig bergab geht...

In der Zwischenzeit starten die Heißluftballone in Tannheim – ab und zu sind die Gasbrenner zu hören, die die dünne Haut der Ballone mit Warmluft versorgen, was für den nötigen Auftrieb sorgt. Sie schleichen heute ziemlich tief das Tal entlang in Richtung Oberjoch. Ich komme gerade wieder zum Wohnwagen, als einer zum Greifen nahe über den Campingplatz fährt. An der Stelle will ich noch erwähnen, dass Ballone tatsächlich ″fahren″ und nicht ″fliegen″.


Ich erhole mich ziemlich schnell. Das Blau des Himmels strahlt immer noch ungetrübt und so beschließe ich, meine Tourenski zu testen. Ich ziehe trockene Klamotten an, denn meine Langlaufsession hat vermutlich tausende meiner Schweißporen geöffnet und diese mit abgestandenem Wasser – oder was immer noch vom Jahreswechsel in meinem Körper war – geflutet. Ich packe den Rucksack – da müssen wiederum trockene Klamotten rein. Denn ich kann mir vorstellen, dass ich – sofern ich auf der Sonnenalm überhaupt ankomme – triefe wie ein nasser Schwamm...

Alle Utensilien packe ich ins Auto und fahre nach Grän. Rein in die Skischuhe, rein in die Ski, rein in die Handschuhe, Mütze auf den Kopf – dann bewege ich mich langsam bergauf in Richtung Füssener Jöchle. Irgendwie macht der rechte Ski ein anderes Geräusch als der linke. Ah, der rechte Skistopper ist nicht richtig eingerastet und schleift über den Schnee – also nochmal raus aus der Bindung und mit Schmackes noch einmal in die Bindung - schon ist das Problem gelöst.

Die Steigung ist anfangs erträglich – da bin ich ja auch schon mit dem Bike hoch gestrampelt. Die Hälfte der Strecke dürfte ich hinter mir haben, da wird es steiler. Ich hätte einen Pulsmesser umschnallen sollen... obwohl, der würde vermutlich nur noch 3 Kreuze anzeigen. Mein Blick ist meist geradeaus oder nach unten gerichtet – deshalb bemerke ich erst relativ spät, dass von oben Nebel herunterzieht. Plötzlich bin ich von dickem Nebel umgeben. Was ich dann denke – dafür gibt es keine Buchstaben auf der Tastatur...

Nach ca. 100 Höhenmetern in der cremefarbenen Suppe, blinzelt oben vereinzelt wieder das Blaue, das ich so liebe, durch. Und tatsächlich – bald befinde ich mich wieder im Azurblau, die Suppe ist unter mir. Und schon taucht auch die Sonnenalm auf – Gott sei Dank. Ich bin fertig wie eine verbrannte Brezel – längst ist meine Unterwäsche nicht mehr in der Lage, weiteres Schwitzwasser aufzunehmen.

Oben angekommen ziehe das Fell von den Skiern, packe es in den Rucksack, stelle Ski und Stöcke in die dafür vorgesehene Stellage (auch hier -9 Grad) und betrete – mit geschwellter Brust und nicht ohne Stolz – die Sonnenalm. Erst geht es einen Stock nach unten, da gibt es die Möglichkeit, seine nassen Sachen gegen trockene zu tauschen, sofern man hat – aber ich habe... Ein Leidensgenosse (vermutlich besser trainiert als ich) ist ebenfalls beim Wäschewechsel. 2 Frauen (vermutlich besser trainiert als ich) erscheinen ebenfalls in der ″Durchgangsumkleide″, durch die auch die Toilettenbesucher der Alm marschieren.

Noch nie hat es mich weniger interessiert, wie und was die 2 Sportlerfrauen aus- bzw. anziehen. Für mich war es Genugtuung genug zu wissen, dass die auch ins Schwitzen gekommen sind. Und mein Körper schrie buchstäblich nach Flüssigkeit und Spaghetti. Ich gehe also wieder hoch in die große Almstube. An der Selbstbedienungstheke ist um diese Zeit nichts mehr los. Ich spare mir das Lesen der mit großen Lettern angepriesenen Speisen. ″Gibt's Spaghetti?″ frage ich und die freundliche Servicedame erwiderte: ″Aber natürlich – mit Bolognese oder Tomaten oder Gorgonzolasoße?″ Da ich meinem Magen nur Bekanntes zukommen lassen wollte: ″Bolognese und ein Radler″. ″Die Spaghetti bringe ich an den Tisch″ säuselt sie. Und ich denke: super, vermutlich wäre ich noch vor Erschöpfung gestolpert und hätte die Spagetti dann vom Boden essen müssen.

Ich stärke mich – die Lebensgeister kommen so langsam wieder zurück. Ein älteres Ehepaar kommt noch an den Tisch. ″Wir waren heute Mittag schon mal da – dürfen wir uns setzen?″ Ich nicke, vermeide es jedoch meinen Mund zu öffnen – das hätte ja den Verlust von einigen Nudeln bedeutet... ″Ist hier noch eine Mütze gelegen?″. Ich schaue unter meinen Rucksack, auf den Boden: ″Also ich habe nichts gesehen. Der Mann flucht vor sich hin, zieht seinen Anorak aus – und da fällt ihm was aus dem Ärmel. ″Oh, da ist sie ja″ sagt er zu seiner Frau, ″das ist ja komisch – jetzt ist sie plötzlich wieder da...″ Ich verkniff mir eine treffende Bemerkung...

 

Bald war ich wieder im Tal – ja, abfahren geht bedeutend schneller als aufsteigen...