Es ist morgens - 8 Uhr. Ich verlasse unser Wohnmobil und mir bleibt das Gesicht stehen. Ich blicke zum Baum, an dem ich gestern Abend unsere beiden Räder abgestellt und mit einem anständigen ABUS-Schloss zusammengekettet habe.
Annes Rad liegt auf der Erde und meins - es ist ja eigentlich gar nicht meins, sondern nur ein Leihrad - hat sich in Luft aufgelöst. Ich schnappe nach Luft und schaue mich um... aber daran ist nichts zu rütteln, das Rad ist weg. Vom Schloss keine Spur. Eigentlich wollte ich heute morgen noch die restlichen Sachen packen und dann die Heimreise antreten...
Dann eben nicht. Erst mal stehe ich unter die Dusche und spüle mir meinen äußerlichen Ärger ab - der innere bleibt. Wobei es ist ja nicht wirklich Ärger - es ist die pure Wut auf dieses Arschloch (entschuldige, aber das muss an dieser Stelle erlaubt sein), der andere beklaut, um sich zu bereichern. Ob er es wohl stehen gelassen hätte, wenn er gewusst hätte, dass es gar nicht meins ist? Ich will das mal bezweifeln. Beide Räder standen ganz dicht hintereinander und es war aus einiger Entfernung gar nicht mehr zu erkennen, welches Rad nun wirklich wertvoll ist.
Ich muss den Diebstahl erst mal beim Campingplatz melden. Da ich das Rad bei meinem Bike-Händler ja nur als Ersatzrad bekommen habe, weil mein bestelltes Rad nicht rechtzeitig geliefert werden konnte, musste ich auch die genaue Bezeichnung nicht. Also rief ich bei meinem Händler an: Spezialized Stumpjumper FSR pro Carbon 29". Und die Rahmen-Nummer hat er mir auch gleich durchgegeben: WSBC604306490M. Wer immer mir das Rad beschaffen kann, erhält 1.000,-- Euro Finderlohn - versprochen.
Also bin ich mit diesen Daten zur Rezeption - der Chef hörte sich das an und meldete den Diebstahl per Internet auch gleich der Polizeistation in Ca Savio. Allerdings muss ich noch persönlich bei der Polizei vorbeikommen, um das Protokoll zu unterschreiben. Das wiederum - so erklärte mir der Chef des Platzes - am nächsten oder übernächsten Tag. Allerdings kommt heute gegen 14 Uhr sowieso die Polizia auf den Campingplatz, dann kann ich vielleicht gleich erledigen. Naja - ich habe mal gleich meinen Aufenthalt um einen Tag verlängert.
Gegen 14:30 kamen auch 2 Herren in Uniform und marschierten durch den Campingplatz, und boten uns an, dass wie schon heute im Präsidium vorbei kommen könnten. Das war der erste positive Satz den ich heute gehört habe. Ein Angestellter vom Platz fuhr uns in seinem Bus zur Polizeistation und ein Dolmetscher wurde uns ebenfalls zur Seite gestellt. Das nenne ich doch wirklich mal Service. Auf der Polizeistation wurde nochmals die offizielle Anzeige aufgenommen, ausgedruckt, gestempelt und unterschrieben. Das lief ja ganz gut - nur das Rad bringt mir das nicht zurück und es ist auch verdammt unwahrscheinlich, dass es irgendwann mal wieder auftaucht.
Soweit - so gut - und jetzt Strich drunter. Auf dem Schaden werde ich vermutlich sowieso sitzen bleiben. Hinterher ist man natürlich immer klüger. Mein nächstes Rad werde ich auf jeden Fall mit einer Alarmanlage ausstatten und einen GPS-Sender installieren, der mir dann zeigt, wo sich mein Rad befindet. Und sollte es wieder gestohlen werden, dann hat der Dieb - sofern ich ihn aufspüren kann - sich einen Feind geschaffen, von dem er noch lange träumen wird. Aber jetzt - Strich drunter.
Was fängt man nun mit dem Rest des Tages noch an? Klarer Fall - Venedig bei Nacht wartet auf uns... Also nix wie ein Ticket gezogen und rein ins Schiff. Der Touristenstrom reißt in Venedig vermutlich nie ab. Wir finden den Campo San Stefano, ein relativ großer Platz mit vielen Restaurants.
Wir betrachten die Speisekarten und entscheiden uns für das Restaurant San Stefano. Wir bestellen - das Essen für Anne kommt auch flott, meine Salatschüssel hingegen dauert und dauert. Aber als Anne fertig ist, fällt einem Ober auf, dass bei mir noch kein Teller steht.
Er geht zielstrebig in die Küche und schon kommt auch mein Salatteller, auf den ich ja auch verzichtet hätte, wenn er einfach vergessen worden wäre. Der Ober murmelt was von "Kollega" und flucht vor sich hin. Ich bin überrascht, denn der Salat ist wirklich genießbar.
Nach dem Essen nehmen wir den nächsten Weg zum Wasserbus und schon bald sind wir in Punto Sabbioni.